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Trotz Zuschlags nicht mehr im Geldbeutel

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RoterTeufel

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Leiharbeiter in Metallfirmen
Trotz Zuschlags nicht mehr im Geldbeutel


Stuttgart - Helmut Stern (Name geändert) hat den Mai 2012 in guter Erinnerung. Erst handelte die IG Metall eine Übernahmeverpflichtung für langjährige Leiharbeiter aus, kurz darauf wurden die sogenannten Branchenzuschläge beschlossen. Demnach müssen Zeitarbeitgeber je nach Betriebszugehörigkeit gestaffelt Zuschläge zahlen, um die Lohnlücke zur Stammbelegschaft zu verringern. „Endlich bekommen wir mehr Geld“, freuten sich Stern und seine Kollegen. Nach neun Monaten im selben Betrieb steigt sein Stundenlohn dank Zuschlag von 8,19 auf maximal 12,29 Euro, nach drei Monaten verdient er immerhin 9,83 Euro.

Theoretisch: „Wirklich mehr Geld habe ich heute nicht“, sagt der Mittfünfziger. Vor Einführung des Zuschlags hat er eine Änderung zum Arbeitsvertrag unterschrieben, dies sei nötig, um in den Genuss des Zuschlags zu kommen, hatte ihm sein Arbeitgeber erklärt. Heute weiß Stern, dass er gelogen hat, und schimpft über eine „Riesensauerei“. Tatsächlich hat er unterschrieben, dass seine sechs Euro Verpflegungsgeld täglich mit dem Zuschlag verrechnet werden.

Verrechnung, Umgruppierung, Einsatzwechsel – Leiharbeitgeber prellen ihre Beschäftigten auf vielfältige Art. Zwar wisse er nicht, ob 10, 20 oder 30 Prozent der Leiharbeitnehmer um ihre Zuschläge gebracht würden, sagt Jörg Hofmann, Chef der baden-württembergischen IG Metall. In jedem Fall aber ein „signifikant großer Teil“. Bei einer Umfrage unter den Verwaltungsstellen im Südwesten hat Hofmann vier Umgehungsstrategien ausgemacht, häufigste Variante ist die Vorlage neuer Verträge wie bei Stern. Andere Arbeitgeber widerrufen Essens-, Fahrt- oder Erschwerniszulagen mit dem Hinweis auf Branchenzuschläge, wieder andere gruppieren ihre Beschäftigten in niedrigere Lohnstufen ein oder holen sich die Erlaubnis, diese auch im Rahmen von Werkverträgen einsetzen zu können. Dann wird gar kein Zuschlag fällig, ein Leiharbeiter in einer niedrigeren Lohngruppe bekommt auch einen geringeren Zuschlag.

„Wildwest-Manier“

„Eine solche Kreativität bei der Umgehung der Zuschläge hätte ich nicht erwartet“, sagt Ralf Willeck, 1. Bevollmächtigter der IG-Metall-Verwaltungsstelle Heidenheim. Obwohl Gewerkschafter bundesweit über die gleichen Tricks klagen, gibt es Gebiete, in denen Leiharbeit und deren Missbrauch besonders häufig vorkommen. Dazu gehört der Landkreis Heidenheim. 80 Leiharbeitsfirmen zählt Willeck in diesem Teil Ostwürttembergs. Fast die Hälfte habe weniger als zehn Mitarbeiter und agiere nach „Wildwest-Manier“, sagt Willeck – „es gibt zwar Regeln, aber die kontrolliert keiner“. Das Ergebnis sind Änderungsverträge, die vielleicht juristisch korrekt, aber „moralisch fragwürdig“ seien. Spätestens bei Einstufung der Beschäftigten in niedrigere Lohngruppen oder der Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in Werkverträge sieht die IG Metall einen Rechtsbruch. Besonders ärgert sich Willeck über die Kaltblütigkeit, mit der Verleihfirmen vorgehen: Weil nur wenige Leiharbeiter rechtsschutzversichert, dafür aber auf ihre Arbeit angewiesen sind, werde darauf spekuliert, dass die Betroffenen sich nicht wehren. Willeck: „Mit der Unwissenheit und mit der Angst der Mitarbeiter wird Schindluder getrieben.“

130 Kilometer südlich, im Landkreis Tuttlingen, ist es vor allem Angst, die Leiharbeiter zur Unterschrift verleitet. Als die Branchenzuschläge eingeführt wurden, hat der Chef eines Zulieferers seinen 300 Leiharbeitern einzeln gedroht, für ihre Versetzung in einen anderen Betrieb zu sorgen, wenn sie der Verrechnung mit Spesen nicht zustimmen. So schildert es der zuständige Gewerkschafter Walter Wadehn. Obwohl er die Betroffenen darüber aufgeklärt hat, dass dies gegen die Vereinbarung im Tarifvertrag verstößt, haben fast alle unterschrieben. „Die Leute haben Angst rauszufliegen, wenn sie klagen“, sagt Wadehn. Denn vor Gericht gehen müssen Leiharbeiter im Zweifel, ihren nächsten Job in einem neuen Betrieb beginnen sie wieder ohne Zuschlag.

Gewerkschaft sammelt Verstöße

Der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) hält die Einschätzung der Gewerkschaft für übertrieben, „von großflächigem Missbrauch kann man nicht sprechen“, sagt BAP-Geschäftsführer Thomas Hetz. Nicht ausschließen will er, dass es „unbeabsichtigte Fehler“ gibt, „echte Verstöße“ hingegen seien „klar zu verurteilen“. Laut Gewerkschafter Willeck nehmen diese eher noch zu: Bis zur Zuschlagsstufe 20 Prozent lasse sich mit Verrechnungen tricksen. Spätestens bei sieben Monaten Einsatzzeit und 45 Prozent Zuschlag erwartet er, dass Leiharbeitgeber ihre Beschäftigten kurzfristig in andere Firmen versetzen, so dass die nötige Einsatzzeit für höhere Zuschläge erst gar nicht erreicht wird. Erste Anzeichen für plötzlichen Mitarbeiterwechsel beobachtet er schon heute.

„Es ist ein Unding, dass Leiharbeiter überprüfen und klagen müssen, ob sie den ihnen zustehenden Lohn bekommen“, wettert Hofmann. Seit Wochen sammelt die Gewerkschaft Verstöße, schon bald will sie unseriöse Verleiher und ihre Kundenunternehmen öffentlich an den Pranger stellen. Laut Hofmann tragen neben den Verleihern auch die Entleiher Schuld: „Die Unternehmen sagen, sie wollen für Leiharbeiter nicht mehr bezahlen als bisher. Die Verleihbetriebe wollen weiter existieren, aber ihre Kundschaft trotzdem zufriedenstellen – also drücken sie potenzielle Einbußen auf ihre Mitarbeiter ab.“ Hofmann schränkt aber ein, dass vor alle große Verleihbetriebe inzwischen darauf achten, dass die Zuschläge korrekt fließen.

Der Leiharbeiter Stern will mit der Gründung eines Betriebsrats in seiner Firma beitragen. Dann unterschreiben den nächsten Vertrag vielleicht ein paar weniger, hofft er, zudem will er dafür kämpfen, dass Leiharbeitgeber ihre Beschäftigten nicht willkürlich in einen anderen Betrieb versetzen und erworbene Zuschläge somit verfallen. Stern hat in seinem Leben zwei Berufe erlernt, kann aus Gesundheitsgründen nur noch Helferjobs erledigen. Die Hälfte seines Lohns geht pro Monat für die Miete drauf, umso mehr ist er auf die Zuschläge angewiesen. Wie sieht es mit einer Anstellung außerhalb der Leiharbeit aus? „Das versuche ich, sehe mit über 50 keine Chance mehr.“
 
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