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- Out 5, 2021
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Experte über Reichstagsbrand vor 90 Jahren
Der wichtigste Zeuge wurde noch gar nicht befragt!
In den Abendstunden des 27. Februar vor 90 Jahren brennt das Reichstagsgebäude in Berlin. Rasend schnell breitet sich das Feuer aus, der Plenarsaal und die Kuppel stehen rasch in Flammen. Die Feuerwehr bekämpft den Brand mit Löschbooten von der Spree und von Land aus. Um 21.42 Uhr wird die höchste Alarmstufe ausgerufen.
Einen Monat nach Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 geht mit dem Reichstagsbrand die Demokratie der Weimarer Republik endgültig unter. Der Brandverlauf und die Brandstiftung sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Doch jetzt will ein Feuerwehr-Professor den Fall mit alten Akten und neuer Technik aufklären
Die Nazis beschuldigen damals die Kommunisten, einen Umsturz geplant zu haben. Regimegegner vermuteten die Nationalsozialisten hinter dem Feuer, um einen Anlass zur Ausschaltung der Opposition zu schaffen. Am Tag nach dem Reichstagsbrand wird die sogenannte Reichstagsbrandverordnung erlassen. Massenhaft werden Regimegegner verhaftet und Grundrechte ausgesetzt.
Als Täter wird der Holländer Marinus van der Lubbe verhaftet und nach einem Schauprozess in Leipzig zum Tode verurteilt und hingerichtet. Als angebliche Anstifter verhaften die Nazis den Vorsitzenden der KPD-Reichstagsfraktion Ernst Torgler sowie die bulgarischen Kommunisten Dimitroff, Popoff und Taneff.
Bis heute streiten Historiker über die Brandstiftung und den Brandverlauf. Legte van der Lubbe das Feuer wirklich alleine? Halfen die Nazis nach, damit sich der Brand weiter verbreitete?
Roland Goertz (53), Professor am Lehrstuhl für Chemische Sicherheit und Abwehrenden Brandschutz der Uni Wuppertal und Direktor des Feuerwehrwissenschaftlichen Instituts FSI, zu BILD: „In Hinblick auf die Bedeutung des Reichstagsbrandes für die Entwicklung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und vor dem Hintergrund, dass bis heute die Ursachen für den sehr schnellen Brandverlauf im Plenarsaal unklar und umstritten sind, habe ich mich entschieden, an diesem Thema zu arbeiten.“ Goertz weiter: „Seit September 2018 erforsche ich die Brandursache und die Branddynamik des Reichstagsbrandes.“
Roland Goertz war unter anderem Leiter der Erfurter Feuerwehr, bevor er 2012 Professor an der Uni Wuppertal wurde. 50500 Seiten umfassen die Akten zum Reichstagsbrand aus der Zeit zwischen 1933 und 1936. Eine Sache motivierte den Experten besonders, sich an dieses heikle Thema zu wagen: „Der wichtigste Zeuge in dem Brandfall ist nach heutigem Stand der Wissenschaft noch gar nicht befragt worden: Nämlich der Brand selber und die durch ihn hinterlassenen Spuren“, so Roland Goertz.
Nach Einschätzung des Brandforschers lässt sich die Vernachlässigung der Spurenanalyse möglicherweise durch die „sehr früh einsetzenden Verdächtigungen und Denunziationen und die zwangsläufige politische Bedeutung des Brandes des Parlamentsgebäudes“ erklären. Er fand beim Aktenstudium im Bundesarchiv in Berlin zahlreiche Denunziationen, die die Kommunisten als Täter beschuldigten.
Roland Goertz: „Der eigentliche Brand, sein Verlauf und seine Ursachen wurden zwar auch technisch untersucht und verschiedene technische Gutachten beauftragt, der objektive Sachverhalt wurde aber regelrecht durch unzählige politisch motivierte subjektive Einzelsachverhalte verschüttet.“
Anhand von großformatigen historischen schwarz-weiß Fotos suchte der Professor nach Hinweisen auf den Ort des Brandausbruchs im Plenarsaal. Goertz: „Sehr wichtig ist auch die Frage, welches Brandgut im Plenarsaal zuerst entzündet wurde. Und warum der Brandverlauf dort so anders war als in dem Umlaufgang und an anderen Stellen, die durch damals verfügbare, sehr potente Kohleanzünder in Brand gesetzt worden waren.“
Bei seinen bisherigen Untersuchungen orientierte sich Goertz an internationalen Standards von Brandermittlungen, der sogenannten NFPA-Richtlinie 921 (Guide for Fire and Explosion Investigations) und ihrer Untersuchungssystematik.
Mit modernster Technik soll der Brand nachträglich simuliert werden. Dafür muss Roland Goertz aber noch die sogenannte Zündkette untersuchen. Also die Frage klären, wie sich das Feuer von der zuerst angezündeten Stelle weiter ausbreitete und den gesamten Plenarsaal im Reichstag erfasste. Auch das umfangreiche archivierte Material des Reichstagsbrandforschers Fritz Tobias († 98) will er aus brandwissenschaftlicher Perspektive auswerten. Roland Goertz: „Bis zu einem veröffentlichungsfähigen und belastbaren Ergebnis werden sicher noch ein bis zwei Jahre Forschung notwendig sein.“
Bild Zeitung
Der wichtigste Zeuge wurde noch gar nicht befragt!
In den Abendstunden des 27. Februar vor 90 Jahren brennt das Reichstagsgebäude in Berlin. Rasend schnell breitet sich das Feuer aus, der Plenarsaal und die Kuppel stehen rasch in Flammen. Die Feuerwehr bekämpft den Brand mit Löschbooten von der Spree und von Land aus. Um 21.42 Uhr wird die höchste Alarmstufe ausgerufen.
Einen Monat nach Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 geht mit dem Reichstagsbrand die Demokratie der Weimarer Republik endgültig unter. Der Brandverlauf und die Brandstiftung sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Doch jetzt will ein Feuerwehr-Professor den Fall mit alten Akten und neuer Technik aufklären
Die Nazis beschuldigen damals die Kommunisten, einen Umsturz geplant zu haben. Regimegegner vermuteten die Nationalsozialisten hinter dem Feuer, um einen Anlass zur Ausschaltung der Opposition zu schaffen. Am Tag nach dem Reichstagsbrand wird die sogenannte Reichstagsbrandverordnung erlassen. Massenhaft werden Regimegegner verhaftet und Grundrechte ausgesetzt.
Als Täter wird der Holländer Marinus van der Lubbe verhaftet und nach einem Schauprozess in Leipzig zum Tode verurteilt und hingerichtet. Als angebliche Anstifter verhaften die Nazis den Vorsitzenden der KPD-Reichstagsfraktion Ernst Torgler sowie die bulgarischen Kommunisten Dimitroff, Popoff und Taneff.
Bis heute streiten Historiker über die Brandstiftung und den Brandverlauf. Legte van der Lubbe das Feuer wirklich alleine? Halfen die Nazis nach, damit sich der Brand weiter verbreitete?
Roland Goertz (53), Professor am Lehrstuhl für Chemische Sicherheit und Abwehrenden Brandschutz der Uni Wuppertal und Direktor des Feuerwehrwissenschaftlichen Instituts FSI, zu BILD: „In Hinblick auf die Bedeutung des Reichstagsbrandes für die Entwicklung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und vor dem Hintergrund, dass bis heute die Ursachen für den sehr schnellen Brandverlauf im Plenarsaal unklar und umstritten sind, habe ich mich entschieden, an diesem Thema zu arbeiten.“ Goertz weiter: „Seit September 2018 erforsche ich die Brandursache und die Branddynamik des Reichstagsbrandes.“
Roland Goertz war unter anderem Leiter der Erfurter Feuerwehr, bevor er 2012 Professor an der Uni Wuppertal wurde. 50500 Seiten umfassen die Akten zum Reichstagsbrand aus der Zeit zwischen 1933 und 1936. Eine Sache motivierte den Experten besonders, sich an dieses heikle Thema zu wagen: „Der wichtigste Zeuge in dem Brandfall ist nach heutigem Stand der Wissenschaft noch gar nicht befragt worden: Nämlich der Brand selber und die durch ihn hinterlassenen Spuren“, so Roland Goertz.
Nach Einschätzung des Brandforschers lässt sich die Vernachlässigung der Spurenanalyse möglicherweise durch die „sehr früh einsetzenden Verdächtigungen und Denunziationen und die zwangsläufige politische Bedeutung des Brandes des Parlamentsgebäudes“ erklären. Er fand beim Aktenstudium im Bundesarchiv in Berlin zahlreiche Denunziationen, die die Kommunisten als Täter beschuldigten.
Roland Goertz: „Der eigentliche Brand, sein Verlauf und seine Ursachen wurden zwar auch technisch untersucht und verschiedene technische Gutachten beauftragt, der objektive Sachverhalt wurde aber regelrecht durch unzählige politisch motivierte subjektive Einzelsachverhalte verschüttet.“
Anhand von großformatigen historischen schwarz-weiß Fotos suchte der Professor nach Hinweisen auf den Ort des Brandausbruchs im Plenarsaal. Goertz: „Sehr wichtig ist auch die Frage, welches Brandgut im Plenarsaal zuerst entzündet wurde. Und warum der Brandverlauf dort so anders war als in dem Umlaufgang und an anderen Stellen, die durch damals verfügbare, sehr potente Kohleanzünder in Brand gesetzt worden waren.“
Bei seinen bisherigen Untersuchungen orientierte sich Goertz an internationalen Standards von Brandermittlungen, der sogenannten NFPA-Richtlinie 921 (Guide for Fire and Explosion Investigations) und ihrer Untersuchungssystematik.
Mit modernster Technik soll der Brand nachträglich simuliert werden. Dafür muss Roland Goertz aber noch die sogenannte Zündkette untersuchen. Also die Frage klären, wie sich das Feuer von der zuerst angezündeten Stelle weiter ausbreitete und den gesamten Plenarsaal im Reichstag erfasste. Auch das umfangreiche archivierte Material des Reichstagsbrandforschers Fritz Tobias († 98) will er aus brandwissenschaftlicher Perspektive auswerten. Roland Goertz: „Bis zu einem veröffentlichungsfähigen und belastbaren Ergebnis werden sicher noch ein bis zwei Jahre Forschung notwendig sein.“
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